Turnen/Gymnastik

Download PDF

Charles Darwin sprach davon, dass nichts in der Welt so beständig ist wie der Wandel. Auch wenn Darwin ein begnadeter Naturwissenschaftler war, vermochte sein Gedanke in der Turnabteilung des SV Dreieichenhain für über ein halbes Jahrhundert nicht zu greifen. Denn 55 Jahre lang war unsere Erika die Abteilungsleiterin der Turnerinnen und Turner des SVD. Was das genau bedeutet ist schwer zu fassen.

Auf der Weltbühne kann beispielsweise nur Queen Elisabeth II. von sich sagen, dass sie die gesamte Amtszeit von Erika mitbegleitet hat. Ansonsten hat kein Staatenlenker sein/ihr Amt so lange inne, wie Erika es in diesen 55 Jahren hatte. Betrachtet man diese Zeit unter der naturwissenschaftlichen Brille von Charles Darwin und nimmt man hier z. B. an, dass Erika 12 Stunden in der Woche in der Halle gestanden hat – so kommt man auf eine Hallenzeit von 34.980 Stunden, was knapp vier Jahren am Stück entspricht. Wobei wir alle wissen, dass die angenommene Zahl so nicht stimmen kann und wahrscheinlich höher ausfällt. Stellt man eine ähnliche Rechnung für die Zeit als Abteilungsleiterin auf, so kommt man auf ca. 22.880 Stunden bzw. knapp drei Jahre am Stück. Beeindruckende Zahlen, die in dieser Form ihres Gleichen suchen. Doch es sind nur Zahlen. Natürlich ist Erika in dieser Zeit einer Fülle an Menschen begegnet. So kann man annehmen, dass sie 55 Jahrgänge an Kindern erlebt hat. Wenn man hier von zehn Kindern ausgeht – was aus der jüngeren Vergangenheit realistisch erscheint – so kommt man auf 550 Kinder, die Erika trainieren und prägen durfte. Doch auch diese Zahl wird um einiges höher ausfallen, da der Ein- und Austritt von Kindern innerhalb der Jahre volatil ist. Hierbei sei nicht zu vergessen: Wenn Mutter und Tochter bei Erika trainierten und beide im Alter von Anfang zwanzig Kinder bekommen haben, hat sogar das Enkelkind Erika als Abteilungsleiterin erlebt.

Doch das sind ebenfalls nur Rechenspiele, an denen Charles Darwin vielleicht Freude gefunden hätte. Viel imposanter ist, dass Erika über viele Jahrzehnte die Turnabteilung des SV Dreieichenhain maßgeblich geprägt hat. Ihre Art der Vorbereitung von Wettkämpfen und Turnfesten glich einer geschickt gestalteten Organisation, die immer zum Erfolg führte. So kann wohl jedes Kind der letzten Jahrzehnte sich an die DIN A4 Zettel erinnern, immer mit einem Abrisszettel unten daran, deren Rücklauf – mehr oder weniger gut klappte. Auch Erikas „Stifteboxen“ sind legendär und es gibt wahrscheinlich niemanden, der so viel gelbes Papier beschrieben hat, wie sie. Betrachtete man diese Papierstücke näher, so empfand Erika große Hingabe für ca. DIN A6 große Zettel, die zu jeder Gelegenheit zur Hand waren und auf die jedes Thema als Überschrift, mit einem dicken Strich darunter geschrieben wurde. Wenn die Besprechungen länger dauerten, so konnte man auch die ein oder andere Verdickung der Linien oder weitere künstlerische Formen auf den Zetteln erkennen. Beliebt hierbei vor allem das mehrfache Nachzeichnen der Ausrufezeichen.

Die Organisation der Weihnachtsfeier und das Einsammeln von Tombola-Preisen sorgte dafür, dass auch der Nikolaus neidisch werden konnte, was sich bei Stefanskis im Keller stapelte. Generell hat es auf den gemeinen Betrachter den Anschein, dass Erikas Haus das Fassungsvermögen eines Kreuzfahrtschiffes hat: Egal ob die Anlieferung von Glühwein, Würstchen und Pommes am Weihnachtsmarkt, Zelten und Bierstand-Utensilien zur Kerb oder einfach nur Pokale und Ordner. Irgendwie passte bei Erika immer alles – und nicht nur ins Haus. Wer schon einmal gesehen hat, wie Ihr Corsa auf der Fahrt zu einem Turnfest aussieht, möchte sich mit Erika lieber nicht auf einen Tetris-Wettstreit einlassen.

– Bilder des Autors von der Weihnachtsfeier 1995 in der Weibelfeld-Sporthalle –

Auch wer mit Ihr das Glück hatte auf ein Deutsches Turnfest fahren zu dürfen, hat neben den sportlichen Aufgaben immer viel gesehen und noch mehr gelernt. Immer mit einer klaren Richtung und nie, ohne den Menschen aus dem Blick zu verlieren.

So kümmerte sich Erika als Abteilungsleiterin von den ganz Kleinen in Ihrer Abteilung bis hin zu den ganz Alten und hielt über Jahrzehnte die verschiedenen Interessen in einer unglaublichen Balance. Denn auch wenn es schwierig wurde und die Nächte mit Einzelgesprächen durchgestanden werden mussten, hatte Erika immer ein überragendes Gespür für den Ausgleich der Interessen in Ihrer Abteilung.

Wir möchten den Artikel kurz halten, denn über einen einfachen Beitrag kann man Erika nicht in der Form danken, wie Sie und Ihre Leistung – an uns allen – es verdienen. Daher wollen wir vorab einfach nur „Danke“ sagen. Danke Erika für Deine Aufopferungsgabe, Deine unglaubliche Zuversicht, Dein Glauben an noch jeden in Deiner Abteilung und einfach für Deine unglaubliche Menschlichkeit. Danke für Deine Zeit, Deinen Mut für Neues und einfach für das „immer da sein“. Wir werden dieses „Danke“ auch noch in „ordentlicher“ Form nachholen, wenn es die Zeiten zulassen; das ist ein Versprechen.

Auch wenn Charles Darwin am Ende Recht behält und es nun mit Erikas Rücktritt als Abteilungsleiterin und der Übernahme durch Melanie Skulteti tatsächlich zu seinem angesprochen „Wandel“ kommt, so ist es weiterhin „unsere“ Erika, fest verwurzelt in unserer SV Dreieichenhain Turnabteilung.

Danke Erika!  Für Deine Zeit im „Vereinsruhestand“ wünschen wir Dir viel Gesundheit, viel Glück und alle guten Wünsche!

 

 

PS: Wenn jemand noch weitere alte Fotos von Erika auf Wettkämpfen oder in der Halle o.ä. hat, dürfen die Bilder gerne an tobias.vetter@tgofhu.de gesendet werden. Wir werden die Bilder dann für das angesprochene „Versprechen“ nutzen.

Es wurden noch keine Kommentare verfasst!

Schreib doch den ersten Kommentar!


Entschuldigung, aber die Kommentare sind für diesen Bereich geschlossen!